begegnen
Ur... (2016)
Seit Jahrzehnten lege ich das Münz anstatt ins Portemonnaie einfach in den Hosensack. Abends dann weiter in eine Büchse und zweidreimal im Jahr geht’s zur Bank.
Wie soeben. Keine Ahnung was mich so spät in der Nacht und dazu noch bei diesem garstigen Wetter bewog aufs Velo zu steigen. Staune immer wieder ob dem stattlichen Gewicht dieses Häuflein Kupfernickel welches ganz unten im Rucksack auf meine Lenden- wirbel drückt.
Seit dem Umbau ist mir die Bankhalle beim Kunsthaus sympatischer. Das Velo kann nun auch mit rein und neben dem Münzautomaten zieht sich eine lange Heizung dem Fenster entlang. Erkenne, dass ich fast immer
bei schlechtem Wetter mein Münz wechsle.
Da sitze ich für kurze Zeit auf dieser Heizung, wärme mich genüsslich. Wiege das Münz in meinen Händen und schätze den Betrag der bald aufleuchten wird. So wie ich bei der Käserei jeweils das Gewicht zu raten versuche.
Dann schütte ich das Geld in den Trichter, höre dem Münzwolf zu. Hie und da fällt nicht konformes Münz mit einem andern Ton in das Alufach. Die Sortiermechanik wird immer leiser. Da stehe ich nun vor der Anzeige welche mich auffordert, das nichtkonforme Kleingeld zu entnehmen und den Betrag anzeigen zu lassen.
Bücke mich. Meine Finger finden diesmal nur gerade zwei Münzen welche nicht saldiert werden wollten. Da liegen sie in meiner Hand. Die 20Rp zufällig obenauf. Wirken gealtert, ohne Glanz, doch der Blumenkranz ist noch gut erhaben.
Drehe eine um, die Haarpracht der Libertas ist abgewetzt, staune ... 1901!
Wurde da nicht zum ersten Mal der Nobelpreis vergeben?
In welchen Portemonnaies, Münzrollen, Automaten oder Sparschweinen lag diese 114jährige Münze schon
und wofür diente sie?
Abgesehen von Geschichtsbüchern, Museen... wann begegne ich heutzutage nochdieser Zeit?
Nun liegt sie so überraschend und einfach in meinen Händen.
Meine vagen Gedanken ins frühe letzte Jahrhundert wühlen mich auf.
Drehe die andere Münze…
1883